Aktuelles (27.02.2023):
"Die Zeche zahlt der Verbraucher"


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INTERVIEW Warum es für die Wasserversorger vor allem in Franken immer schwerer wird, gute Qualität zu gewährleisten und was dafür getan werden muss, erklärt Wasserexperte Hans Hümmer im Interview.
(Fränkischer Tag, MONTAG, 27. FEBRUAR 2023)

Woher kommt eigentlich unser Wasser?

„Aus dem Hahn“ reicht hierfür als Antwort nicht aus. Zu komplex ist die Versorgung von Hunderttausenden Franken mit frischem und gesundem Trinkwasser. Kleinste Störungen können (wie aktuell rund um Eggolsheim, Hallerndorf und Buttenheim) zu großen Problemen führen.Wie das sein kann und was getan werden müsste, erklärt der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft (ARGE) Wasser-Abwasser Hans Hümmer.

Herr Hümmer, Eggolsheim, Pegnitz, Pretzfeld – warum gibt es im Moment so viele Probleme mit demWasser in der Region?

Hans Hümmer: Die Anzahl von Keimbefällen in unserer Region weisen keine höhere Schadenshäufigkeit im Vergleich zu anderen bayerischen Regionen auf. Die Sachverhalte solcher Störungen sind unterschiedlich. In Eggolsheim beispielsweise oder auch bei uns in Pegnitz waren es technische Defekte und nicht zunehmende Belastungen der Ressource Wasser. Aber generell erleben wir, dass durch klimatische Veränderungen und längere Trockenperioden, die Schutzwirkungen unserer Böden leiden. Das kann sich auf die Wasserqualität auswirken. Gleichzeitig besteht in vielen Anlagen in Bayern hoher Investitionsstau.

Fehlt das Geld oder der Wille, das Geld einzusetzen?

Der Freistaat war viele Jahre aus der Förderung von Trinkwasserversorgungsprojekten ausgestiegen. Seit 2015 gibt es wieder staatliche Förderungen, etwa für den Neubau von Verbundleitungen als zweites Standbein. Diese können bei Störfällen befristet und schnell die Versorgung aufnehmen, bis Probleme in Leitungsnetzen und technischen Anlagen behoben sind, oder auch bei vorübergehenden Mengenproblemen im eigenen Mengendargebot.
Es ist aber bedauerlich, dass der Freistaat diese nichtmehrmit 50 Prozent fördert, sondern nur noch pauschal 80 Euro für den Meter bezahlt. Das ergibt für die fränkischen Regionen eine Förderquote von nur noch etwa 20 Prozent. Wir Wasserversorger fordern daher, die Quote wieder anzuheben. Hinzu kommt, dass etliche Versorger noch immer auf ihre bereits zugesagten Fördergelder warten und mittlerweile erhebliche Zwischenfinanzierungskosten über die Bürger verrechnen müssen.

Wie stehen wir in Franken grundsätzlich in puncto Wasserversorgung da?

Vergleichende Untersuchungen sind schwierig, weil nicht über alle Regionen detaillierte Aussagen möglich sind. Aber: Der Investitionsstau in Bayern ist flächendeckend ein riesiges Problem. So können auch dadurch solche Verkeimungen immer öfter auftreten. Wie kann es dazu kommen,Wasser sei doch das wichtigste Gut, heißt es…
Solange das Wasser aus dem Hahn läuft, übersieht oder registriert man vorhandene Defizite nicht so. Hinzu kommt, dass sich die kommunale Finanzlage zunehmend einengt.

Müssen sich die Menschen sorgen, dass kein Wasser mehr aus dem Hahn fließt?

Wir haben gerade in Franken Probleme, weil es die niederschlagsärmste Region Bayerns ist. Unsere Daten zeigen, dass viele Grundwasserreservoirs noch ausreichend sind, aber gerade Oberflächenwasserversorgungen immer problematischer werden. Obwohl die mengenmäßige Versorgungsstruktur als ausreichend bezeichnet werden kann, müssen wir alle sorgsam mit der Ressource Wasser umgehen.
Es braucht gute Sicherheitskonzepte, moderne Überwachungssysteme, modernste Zählertechnik und gut gewartete Versorgungssysteme. Beispiel Wasserverlustraten: Auch Wasserverlustraten von 50 bis 60 Prozent durch schlecht unterhaltene oder schadhafte Rohrsysteme müssen vereinzelt noch registriert werden. Das Wasser versickert unbemerkt unter der Erde und führt so zu erhöhten Aufwendungen und Kosten, die die Wasserressource belasten.

Und nun?

Man muss am Ball bleiben und mehr in die Systeme investieren. Wasser ist das Überlebensmitttel Nummer 1. Dazu gehört es auch, dass Trinkwasserschutzgebiete schneller, unbürokratischer und rechtssicherer ausgewiesen werden können. Aktuell dauern Schutzgebietsverfahren in Bayern bis zu zehn Jahre oder länger. Dies ist im Interesse des Trinkwassers so nicht hinnehmbar und bedarf veränderter Organisationsabläufe.

Wer wacht eigentlich über unserWasser?

Die Wasserversorger müssen selbstständig Wassergüte, Entnahmemenge und weitere Parameter in einer sogenannten Eigenüberwachungsverordnung überwachen. Die Daten übermitteln sie an die Wasserwirtschaftsämter. Für den Landkreis Forchheim ist das Amt in Kronach zuständig.

Fachkräftemangel in den Ämtern: Kommen die überhaupt hinterher?

Generell gilt meiner Meinung nach, dass sowohl Gesundheits- als auch Wasserwirtschaftsämter deutlich unterbesetzt sind. Es gibt zumBeispielmeines Erachtens zu wenige Geologen an den Wasserwirtschaftsämtern, dementsprechend ist deren Beratungsfunktion schwächer geworden. Auch die Gesundheitsämter sind durch andere Themen wie etwa Corona sowieso stark ausgelastet.

Aber wir können weiterhin unbedenklich vom Wasserhahn trinken?

Wasser ist das am besten untersuchte Lebensmittel. Es wird regelmäßig nach unterschiedlichsten Parametern untersucht. Das größte Problem für die Zukunft wird sein, dass es Stoffe gibt, die nach derzeitiger Trinkwasserverordnung noch nicht untersucht werden müssen. Zum Beispiel Medikamentenrückstände. Um diese entnehmen zu können, werden wir weiter Reinigungsstufen in unseren Kläranlagen benötigen. Diese werden dann sicherlich die Abwasserpreise in dieHöhe treiben.

Stichwort Verbrauch: Müssen wir unseren Konsum drosseln?

Wenn ich Teile Oberfrankens anschaue, die stark vom demografischen Wandel getroffen sind, sehe ich abnehmende Verbrauchsmengen. Hinzu kommt eine sensibilisierte Bevölkerung, die auch dank moderner Haushaltsgeräte sparsamer mit Wasser umgeht. Dies wiederum führt dazu, dass die vorhandenen Leitungsdimensionen zu groß werden und wegen fehlenden Wasserumschlags das Risiko einer Keimbelastung steigt. Manche Versorger verkleinern schon die Rohrdurchmesser, um das in den Griff zu bekommen. Das wiederum bringt ein Folgeproblem. Die Leitungen verlieren den notwendigen Durchmesser für eine ausreichende Löschwasserversorgung.
Der Teufelskreis für fränkische Regionen liegt darin, dass wegen der Niederschlagsarmut die Wassermengen nicht mehr ausreichen, gleichzeitig aber durch Bevölkerungsrückgänge und Überalterung Netze verkleinert werden müssen.

Wer zahlt die Zeche?

Über die Gebührensatzungen zahlt am Ende immer der Verbraucher die gesamten Aufwendungen der Wasserversorgung. Hinzu kommen Millionenbeträge für die Gemeinden, um neue Löschwasserbehälter zu bauen. Diese Bevölkerungsentwicklungen die zu einem Nord- Süd-Gefälle führten, sind für mich auch ein Ausfluss fehlerhafter Strukturpolitik des Freistaates über Jahrzehnte hinweg.

Plädieren Sie also für die Abschaffung der Gebühren-Praxis?

Sie ist nicht änderbar.Das Kommunalabgabengesetz schreibt die kostendeckende Gebühreneinrichtung vor. Wir sind gesetzlich verpflichtet, einen vollumfänglich kostendeckenden Wasserpreis einzuheben. Das heißt auch: Die Preise für Wasser werden weiter steigen. Denken wir nur an die explodierten Energiepreise. Man muss die Menschen sensibilisieren, dass für 1000 Liter reinstes Wasser und Lebensmittel ein Preis von 2,50 bis drei Euro weiter kostengünstig ist.

Lassen sich solche Keimbefälle künftig ganz verhindern?

Wohl nicht. Aber wir müssen bei allen Wasserversorgern perspektivisch eine redundante Versorgung etablieren, quasi eine Art Ersatzversorgung, um bei Problemen die Versorgung aufrechterhalten zu können. Unstrittig ist, dass es permanenter umfassender Anstrengungen bedarf, um die Trinkwasserversorgung in Franken auch in Zukunft auf dem gewohnt hohen Niveau halten zu können.

Das Gespräch führte Stephan Großmann

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Frankens oberster Wasserwächter und Vorsitzender der ARGE-Wasser/Abwasser Hans Hümmer